Heute war der Plan, den Dôme de la Sache - eines der Topziele der Gegend - zu besteigen. Das war seit vorgestern klar und war witterungsbedingt um einen Tag verschoben worden. Ursprünglich wollten wir schon gestern die Krönung der Tourenwoche angehen.

Die Wecker rissen uns zwei Stunden früher als an den Vortagen aus Morpheus' Armen. Um sechs Uhr - es begann gerade zu dämmern - war die Truppe startklar und machte sich per Auto Richtung unseren Ausgangspunkt «La Gurraz», unterhalb von Tignes, auf. Dort gab es zwei Möglichkeiten, um auf den Glacier de la Gurraz zu gelangen: in weitem Bogen über das Refuge de Turia oder gerade hoch über Les Lances. Beim Anblick der Schneeverhältnisse wählten wir die zweite, direktere Variante. Zwar musste zuerst eine grosse alte Lawine überklettert werden, dann lag aber durchgehend Schnee und es gab einen deutlich sichtbaren, nicht allzu steilen Weg. Das kam mir entgegen, weil auf der gestrigen Tour meine Steighilfen gebrochen waren und ich somit bei jedem Schritt zusätzliche Spannung in den Waden spürte. Es ging gemütlich die ersten Hänge hoch. Niemand wollte heute das Tempo stark forcieren: Schliesslich galt es 2000 Höhenmeter zu bewältigen. Nach einem Wegstück den Felsen entlang, wo gerade noch Schnee auf dem Track lag, gelangten wir an die Sonne und entledigten uns einiger überflüssiger Kleider. Zwei Kameraden meldeten Materialprobleme: Jürg hatte seine Sonnenbrille im Chalet vergessen und Kuno seinen Lunch. Das Lunchproblem war gut überbrückbar bei einer Gruppengrösse von 6: ein paar Brosamen konnte jeder entbehren. Das mit der Sonnenbrille war schwieriger: vorerst stieg Jürg als Indianer mit Augenbinde weiter (später tauschte er mit Armin die Brille). 

Die Hänge, über die Dani und Armin höher spurten, sahen vielversprechend aus. Weit und breit waren keine Spuren zu sehen, sie waren breit und skitechnisch in der richtigen Steilheit. Auf der Quote ca. 2400m zückte ich mein Handy, um den Weiterweg etwas genauer zu studieren. Dabei traf mich beinahe der Schlag: wir waren seit fast zwei Stunden abseits der Route des Dôme de la Sache. Also wirklich komplett falsch. Weder den voraussteigenden Dani und Minu war das aufgefallen noch jemandem der Follower. Mist! Und das bei all diesen schönen Hängen. Hektisch wurde die Karte konsultiert und eine Alternative ausgeheckt. Dani und Minu fanden, wir könnten auf die Grande Parei steigen. Die lag oberhalb von uns und war über den Glacier de la Martin erreichbar. Ich war etwas skeptisch: das Ganze schien mir ganz schön steil und gletscherspaltig. Auch alte, überschneite Lawinenreste liessen mich zögern. 

Eine Pause mit Anseilgurtenmontage später stiegen wir trotzdem weiter. Dani und Armin betätigten sich weiterhin als unermüdliche Spurer. Und wir hintendran waren froh um die beiden scheinbar furchtlosen Lokomotiven. Der Aufstieg führte über prächtige Gletscherhänge. Es lag hier oben viel Schnee, sodass keine Spaltenstürze zu befürchten waren. Und ja: die Schneequalität versprach höchste Abfahrtsgenüsse: alles pulvrig und unverspurt. Die Grande Parei - eigenlich eine Gratschulter des Dôme de la Sache - erreichten wir nach einer weiteren kleinen Pause. Der Weiterweg zum Dôme wäre (Ski am Rucksack aufgeschnallt) möglich gewesen und somit auch die Rückkehr zum Originalplan. Aber wir beschlossen die Gipfelrast und demontierten die Felle. Somit konnten wir die Abfahrt über die eben bestiegenen Hänge geniessen und mussten nicht über die Route vom Dôme abfahren , wo unklar war, wie gut der Schnee wäre. 

Was nun lockte und auch folgte war die beste Abfahrt des Winters und auch die beste Abfahrt seit vielen Tourenwochentagen. Ähnlich rauschhaft war es letztmals am «Le Tarent» (Tourenwoche Champex). Die ganze Abfahrt, wirklich die ganze, war top. Wir schwelgten in den Hängen, filmten uns gegenseitig beim Schwingen und liessen den einen oder anderen Juuzer erschallen. Der einzige Nachteil bei solch gutem Schnee war das viel zu schnelle Erreichen der Talsohle beziehungsweise der Autos. Aber die Begeisterung über das eben Erlebte war einhellig und der Spruch des Tages lautete: Auf diese Weise verirren wir uns gerne wieder einmal.