Spätabends, nach der Biketour zum Dosso dei Cavalli und einem amüsanten abendlichen Mahl im Hotel Brenzone (mir wurde eine vorzügliche Spaghetti allo Scoglio mit Meeresgetier serviert) entschieden sich Alicia und ich zu einer Wanderung auf die Cima Telegrafo, direkt von unserem Ferienhaus aus. Im Ristorante hatten wir eigentlich noch mit Dani und Daniela zum Biken auf dem Monte Baldo abgemacht, aber das sagten wir ab und wollten zusammen die Wanderschuhe schnüren. Alicia hatte Lust auf ganz viele Höhenmeter und einen Hike-Challenge. Meine Kalkulation und Ankündigung, dass weit über 2000 Höhenmeter gemacht werden müssten plus ein langer Gang über den Grat bis zur Seilbahn, schreckten sie nicht etwa ab, sondern motivierten sie erst recht. Sie wolle mal sehen, wie beständig der bisherige Rekord aufs Mettelhorn von Zermatt aus sei. Das hatten wir im April als Skitour gemacht und war ihr nicht negativ in Erinnerung geblieben. Auf dem Smartphone bzw. openstreetmap suchte ich die besten Wege zusammen - es konnte losgehen.

Der Hang am linken Ufer des Gardasees ist ein Westhang. Das bedeutete, dass wir längere Zeit im Schatten und ohne brätelnde Sonne ansteigen konnten. Aber steil war es und flache Wegstücke sind Fehlanzeige. Es geht nur in eine Richtung: rauf. In ungefähr halber Höhe fanden wir ein blau markiertes Jägerweglein, das sich aber bald als Irrweg erwies. Wir entschieden uns für eine kraftraubende Direttissima durch den Wald und trafen erst 300 Höhenmeter und eine Rast später wieder auf den offiziellen Wanderweg. Immerhin war unser Rastplatz ein ganz spezieller: bei einer Madonna und einer Standarte der italienischen Alpini mit prächtigem Blick zum See runter.

Durch herrlich duftende Legföhrenwälder und kalksteinige Wegpartien erreichten wir nach gut vier Stunden das Rifugio Telegrafo. Bereits lagen 2000 Höhenmeter hinter uns, womit wir uns ein Lémonsoda auf der Terrasse dieser Berghütte redlich verdient hatten. Bis zur Cima di Telegrafo waren es nach dieser Pause bloss noch fünf Minuten: Wir grüssten beim eisernen Gipfelkreuz und feierten unseren ersten Gipfelerfolg. Auch bestätigten wir uns gegenseitig, dass die Beine noch fit seien und uns die 3½ per Wegweiser veranschlagten Stunden bis zur Bergstation der Seilbahn nicht abschrecken würden. Also setzten wir unseren Marsch fort. Gleich nach der Cima Telegrafo warteten zwei Highlights des Tages auf uns: zuerst eine ganze Wiese voller Edelweiss und nachher eine fast zahme Gämse, die sich bereitwillig für Fotos in der fantastischen Kulisse präsentierte.

Dieser Weiterweg hatte es durchaus in sich: ein ständiges Auf und Ab, eine reichlich abenteuerliche Wegführung und viele Steine, Blöcke, Wurzeln und Platten. Bei der Ankunft auf der zweiten Cima des Tages, der Pozzette, stolperten wir schon deutlich öfter über Wurzeln als noch zu Beginn der Wanderung. Die vielen Kilo- und Höhenmeter machten sich bemerkbar!

Nach dieser letzten Rast brauchten wir noch eine Stunde bis zur Bergstation. Endlich waren wir nach fast acht Stunden am Ziel und gratulierten uns zur sauberen sportlichen Leistung. Die Warteschlange vor der Seilbahnstation, das übelzeitige italienische Umsteigeprozedere in der Mittelstation und der Bus zurück nach Magugnano, der auch 30 Minuten nach seiner Fahrplanzeit noch nicht erschienen war, regten uns nur noch mässig auf. Mit dem Taxi ging's zurück zu Aurelio und Felice, welche uns mit trockenen Kleidern im Ristorante La Roche erwarteten. Zwischen dem Kleiderwechsel gab es aber noch ein Bad im See, wo wir uns die Kühle genossen und von den mehrfach vorhandenen Schweissschichten des Tages befreien konnten.