Der Piton des Neiges war ein Ziel, das logischerweise auf meiner Menükarte von La Réunion stand. Der mit 3070 Metern höchste Gipfel der Insel versprach einen interessanten Aufstieg und lockte mit einer Fernsicht, die wir als Alpenkinder nicht gewohnt sind. Wir hätten den Gipfel schon ein paar Tage früher von Hell-Bourg aus besteigen können. Das wäre aber ein viel weiterer Weg gewesen. Also nahmen wir es in die Wanderpläne ab Cilaos auf. Es gab die beiden Varianten Hüttenübernachtung und Eintagestour. Die erste hatte den Nachteil einer Nacht im etwas frugalen Refuge du Caverne Dufour, die zweite die respektable Anzahl Höhenmeter mit steilem Auf- und Abstieg. Felice war weder für das eine noch das andere zu begeistern, weshalb wir vereinbarten, dass ich alleine losziehen würde und es mit Variante 2 versuchen wollte. Um das Ganze noch etwas spannender zu machen, tüftelte ich auf der Karte eine Route mit einem Aufstieg über die Côteau Kervéguen und Abstieg über die Normalroute aus. Viel mehr Zeitaufwand war das nicht (es ging um etwa 15 Minuten). Aber von dieser Route versprach ich mir, schneller auf der Krete für einen schönen Sonnenaufgang zu sein. Ich wollte um vier Uhr starten, damit ich den Sonnenaufgang um 6:50h zwar nicht auf dem Gipfel, aber in vollen Zügen auf dem Grat dahin geniessen konnte. Der Plan funktionierte – auch dank des frühmorgendlichen Transportservices von Felice an den Ausgangspunkt des Côteau-Wanderweges etwas oberhalb von Cilaos.

Mit Stirnlampe bewehrt stieg ich über den gut erkennbaren und steilen Weg zur oben erwähnten Krete auf. Die Seile und Treppenstufen machten den Aufstieg kurzweilig. Ziemlich früher als im Wanderplan berechnet traf ich oben auf der Krete ein. Es war um 5:50 Uhr noch völlig dunkel und bis Sonnenaufgang dauerte es noch eine ganze Stunde. Im magischen Licht des werdenden Tages und mit gutem Sound auf den Ohren genoss ich nun diesen einsamen Wegabschnitt in vollen Zügen. Was für eine fast schon überwirkliche Stimmung! Über dem indischen Ozean wurde ein Farbspektakel sondergleichen inszeniert und ich hatte mit der Forrest Gump Suite von Alan Silvestri die passenden Klänge in den Ohren. Das war mehr als nur ein Hühnerhautmoment.

Bei der Caverne Dufour traf ich auf den Normalweg zum Piton des Neiges. Und jetzt hatte es deutlich mehr Randonneurs als bis zur Côteau. Durch das Vulkangestein erreichte ich zügig den Gipfel des Piton des Neiges. Hier war ich natürlich nicht mehr allein, genoss den Blick in alle Richtungen aber trotzdem. Er ging auf alle Seiten bis zum Meer, schliesslich ist La Réunion nicht sehr gross und liegt mitten im indischen Ozean. Ich hatte nur gerade vier Stunden und 10 Minuten für den Aufstieg benötigt. Dies erlaubte mir eine lange Gipfelrast und den Verzehr des mitgetragenen Morgenessens, welches ich vom Hotel Cilaos zur Verfügung bekommen hatte.

Für den Abstieg vom Gipfel wählte ich nochmals eine vom Normalweg abweichende - auf der Karte aber eingezeichnete - Variante. Keine Ahnung, weshalb alle hintereinander hertrotten, obwohl es schöne Alternativen gibt. Oberhalb der Caverne bog ich aber endgültig in den Normalweg ein und brachte die vielen vielen Höhenmeter hinter mich, die es bis Cilaos hinunter zu kniescheibenbrechen galt. Ich erwischte einen Bus für das letzte Stück nach Cilaos hinunter nur deshalb, weil er ein paar Minuten Verspätung hatte und viele Leute am Einsteigen und Bezahlen waren. Deshalb konnte ich Felice schon um 12:45h beim Hotelpool mit meinem Erscheinen überraschen. Somit stand ein ganzer Nachmittag und Abend zum Chillen und Beineausruhen zur Verfügung, was natürlich nach dieser langen Tour mehr als willkommen war.