Mein Ferien- und Hochtouren-Highlight 2023 begann morgens um 3 Uhr. Das war die Weckzeit für die Barre-Aspiranten. Der Speisesaal war schon ordentlich voll, als ich nach einer wie immer in dieser Hüttenhöhe mehr oder weniger guten Nacht eintraf. Auch bekannt war mir mein mässiger Hunger um diese unchristliche Zeit. Deshalb standen Jaco und und knapp 40 Minuten nach dem "Bonjour, il es trois heures" vor der Hütte und bestaunten den makellosen Sternenhimmel. Der Aufstieg auf die Barre beginnt mit 120 Metern Abstieg von der Hütte auf den Glacier Blanc. Nach knapp einer Stunde und diesem flachen Eingehstück geht es unvermittelt die Wand der Barre hoch. Sie ist über 30° steil. Deshalb waren wir vor 9 Jahren wegen Lawinengefahr auch umgekehrt. Heute waren aber höchstens die Séracs bedrohlich, weshalb es galt, zügig aus der Gefahrenzone zu steigen. Jaco mahnte deshalb zur Eile. Weiter oben drohten die Eistürme nicht mehr so stark. Wir konnten gemütlicher steigen. Die magische Stunde des Hochtourengehens nahte: Sonnenaufgang. Weil wir tadelloses Wetter genossen und nur weit im Osten ein paar Wolkenfetzen zu sehen waren, war das heute ein besonderes Farbspektakel. Wir unterbrachen unseren Aufstieg nur kurz für Fotos. Das liess Jaco netterweise zu. Ansonsten waren wir zügig unterwegs. Nach einer eindrücklichen Spalten-Umkurv-Passage und einem relativ eisigen Steilhang folgte die Querung Richtung Dôme de Neige. Bis jetzt waren drei Seilschaften vor uns. Richtung Brèche Lory, wo es einen Eishang zu überwinden galt, spielte Jaco seine Ortskenntnis und tadellose Technik gekonnt aus. Wir überholten alle vor uns gestarteten und waren auf dem Klettergrat Richtung Gipfel der Barre des Écrins plötzlich die ersten. Dabei war der Einstieg bei der Brèche Lory in die Felsen des Ostgrates der kniffligste Teil des Aufstiegs: eine eisige Querung um ein Eck herum benötigte den Einsatz der Frontzacken und gutes Festhalten an den spärlichen Griffen. Nach dieser Passage war der Grat gut zu begehen. Schon bald liesen wir die Pickel liegen, schnallten die Steigeisen los und turnten über den hübschen Felsgrat Richtung Gipfel, ohne das lästige Gekratze der Steigeisenzacken auf den Felsen hinnehmen zu müssen. Das Gestein am Grat ist fest und unschwierig zu klettern. So wie man sich das wünscht. Schon um halb acht Uhr waren wir beim Gipfelkreuz der Barre des Écrins und genossen eine sagenhafte Fernsicht. Weil die Barre so weit südlich und westlich und über 4100 Metern liegt, präsentiert sich einem eine Sicht wie sonst fast nirgends in den Alpen. Jaco meinte sogar die Erdkrümmung ausmachen zu können. Wohl etwas übertrieben, aber trotzdem ein schöner Gedanke. Erst nach zwanzig Minuten traf die zweite Seilschaft, auch mit einheimischem Führer, ein. Jetzt wurde wie wild um die Wette geknipst, gealbert und plagiert, welches denn nun diese oder jene Erhebung sei. Meije, Mont Blanc, Grand Combin, Matterhorn, Monte Rosa, Gran Paradiso und der Monviso waren einfach zu bestimmen. Da herrschte Einigkeit. Fast alle übrigen Höger waren der wilden Spekulation preisgegeben. Jaco war ganz zufrieden mit meinen Kletterkünsten und meinte, man sähe mir meine Erfahrung mit diesem Gelände an. Deshalb waren wir flott wieder in der Brèche Lory zurück. Hier gelang es mir, Jaco zu einem Umweg über den Dôme de Neige zu überreden. Immerhin taucht diese Schneekuppe in der offiziellen UIAA 4000er Liste auf. Sie ist gerade mal 10 Minuten von der Brèche entfernt und über einen einfachen Block- und später Firngrat erreichbar. Zwar meinte Jaco, dieser Abstecher würde uns 45 Minuten kosten. Diese Zeitschätzung war eher seiner relativen Unlust auf den Gipfel zuzuschreiben. Denn mehr als 25 Minuten kostete uns dieser Umweg nicht. Ich aber genoss diesen kurzen Gang und liess den Blick von oben nochmals ins weite Gipfelrund schweifen. Im Abstieg vom Dôme über Bergschrund und Eishang liess mich Jaco kurzerhand an einer Eisschraube runter. Das war cool (und speditiv erst recht). Dann ging's über die Schnee- und Eishänge der Nordwand der Barre auf dem Aufstiegsweg zurück. Meine gute Form erlaubte es uns beiden, den Abstieg im Sauseschritt zu absolvieren. Die Cola im Materialdepot unterhalb der Écrins-Hütte (Tip von Jaco) war wunderbar. Es war nun (entgegen dem etwas windigen und kühlen Gipfelgrat) wieder warm, sodass der weitere Abstieg zum Refuge du Glacier Blanc in Shorts gewagt werden konnte. Dort verabschiedete ich mich von meinem Guide mit einem herzlichen Dankeschön und Trinkgeld und versuchte, den Bus um 13:50 Uhr in Pré du Madame Carle zu erwischen. Das bedingte abermals eine zügige Gangart. Aber es gelang, inklusive Schuhwechsel und Getränkekauf. Diese Busfahrt war fast das Mühsamste des Tages: Weil das Gefährt auch das 1800 Meter hoch gelegene Puy St. Vincent bedienen musste, galt es endlose Kehren in Kauf zu nehmen. Die Rückgabe des Pickels musste ich sogar dem Chauffeur des Buses anvertrauen. Er bediente das fragliche Streckenstück talauswärts nicht, versprach aber, den Pickel morgen früh im King's Sport abzuliefern. Auch die Zugverbindungen waren alles andere als optimal. Aber ich schaffte es mit öV bis nach Savines-le-Lac, wo ich zufälligerweise genau zur gleichen Zeit wie Felice und Jögi entraf, die heute die Aiguilles de Chabrières bewandert hatten. |
Id | 3088 |
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Datum | 27.07.2023 |
Tour | Barre des Écrins & Dôme de Neige des Écrins |
Ziel_erreicht | Ja |
Route | Refuge des Écrins - Glacier Blanc - Brèche Lory - Pic Lory - Barre des Écrins (Normalweg) - Brèche Lory - Dôme de Neige des Écrins - Glacier Blanc - Refuge du Glacier Blanc - Pré Madame Carle |
Gipfel | Barre des Ecrins 4102m; Dôme de Neige des Ecrins 4015m |
Begleiter | Jaco |
Gebiet | Dauphiné Alpen |
Tourentyp | Alpen 4000er; Hochtour |
HM_rauf | 1234 |
HM_runter | 2510 |
Distanz_KM | 21.79 |
Verhaeltnisse | Gute Verhältnisse, wenn auch nur noch wenig Schnee. Dôme komplett vereist. |
Huetten | Refuge des Ecrins 3175m; Refuge du Glacier Blanc 2542m |
Featured_Foto | tbi_2023-07-27.jpg |
Tourenideen | |
Aufstiegszeit | 04:00:00 |
Abstiegszeit | 06:15:00 |
Schwierigkeit | ZS |
Wetter | schön - wolkenlos |
Material | Hochtour mit Seil, Eismaterial |
Relive_URL | Relive Barre des Écrins & Dôme de Neige des Écrins |